So hier kommt Blackiis allmorgendliche Beschäftigung beim S-bahn fahren. Ich schreibe...ja neulich bin ich auf die Tolle Idee gekommen meine die 30 min S-Bahnfahrt zu nutzen um eine Geschichte zu notieren.....natürlich spielt sie in der s-bahn.
Wie immer bitte ich um Verzeihung wegen der Rechtschreibfehler und warne noch kurz vor das es sich hierbei nicht um eine meiner kurzweiligen, lustigen Schriftstellereien handelt sondern um eine ernste Story.
Was neu hinzugekommen ist habe ich mit NEW gekennzeichnet.
Genre: Romance, Drama
Thema: Gefühle, Emo, Surreales
1. Kapitel
Baum, Baum, Baum die Landschaft rast an mir vorbei wie jeden Morgen. Goldgelbe Sträucher, Blutrote Eichen und orangene Erlen; es ist Herbst.
Die ersten acht Stationen sind kleine Dörfer außerhalb des großen Stadtpulks, ich fürchte mich immer vor dem Moment, an dem der wacklige Wagen unter Tage rollt. Völlig abgeschnitten von der Außenwelt, nur von der erdrückenden Schwärze der U-Bahnschächte umgeben, kein Fluchtweg, kein licht, keine Hoffnung.
Aber momentan wirft die Sonne noch ihre warmen Mosaikmuster durch die zerkratzte Scheibe. Fasziniert betrachte ich das wirre Spiel, von Form und Farbe, auf meinem Mittelhandknochen. Wie kleine Wesen, nur bestehend aus Licht und der Unschuld eines früh herbstlichen Tages, tanzen sie ihren fröhlichen Reigen auf meiner Haut.
Ich lenke die Aufmerksamkeit von den Sonnenstrahlen auf meine Hände. Sie sind viel zu klein, man kann nicht mal „Nothing else Matters" von Metallika mit ihnen spielen. Fünf Bünde sind zu viel für die kurzen Fingerchen. Außerdem stören mich die penetranten, braunen Sprenkel, die über die ganze Haut verteilt sind. Als hätte jemand braune Farbe durch einen Strohhalm gepustet. Schnell ziehe ich die Ärmel über mein missratenes Greifwerkzeuge um sie nicht länger anschauen zu müssen.
Zur abzulenkung betrachte ich Verstohlen die Leute, die um mich herum, in der Bahn sitzen. Im Vierer nebenan hockt eine verstimmt wirkende Omi. Sie schaut mürrisch aus dem Fenster als wolle sie die Natur und alles das draußen vorbeizieht verfluchen.
Vielleicht ist der Verursacher ihrer Misslaune aber auch der frühpubatärer HipHop-Schnösel, der sich neben sie gefläzt hat und nun den ganzen Zug mit seinem exklusiven Musikgeschmack zu beglücken versucht.
Ich für meinen Teil bemühe mich ihn zu ignorieren und lasse meinen Blick wieder in die Ferne schweifen. Eine Schrebergartensiedlung rast vorbei, dann eine Pferdekoppel und schließlich ein Neubaugebiet. Mein Augenmerk richtet sich inzwischen auf das gleichmäßige Muster der Schienen, um dem Anblick der hässlichen Doppelhaushälften zu entrinnen.
Der Vorfall von neulich schleicht sich wieder in meine Gedanken, seit drei tagen lässt mich diese Geschichte nicht mehr los. Mir wird schlecht, eine Erinnerung die eigentlich nichts mit mir zu tun hat, holt mich ein und deckt sich wie ein schwarzes Leichentuch über meine Seele. Es gab wieder einen Selbstmordversuch, in der Großstadt scheint das etwas alltägliches zu sein, aber da ich erst seit kurzem hier wohne bin ich solche Nachrichten nicht gewohnt. Ich hab auch keine Ahnung warum mir solche Dinge so nahe gehen, ich meine ich kenne die Person ja gar nicht, weder den Namen, noch Geschlecht, Alter oder ihr Aussehen, und trotzdem denke ich mit Grauen an den Tag zurück. Ich sehe die Büromenschen, die aufgebracht ihre Geschäftspartner anrufen, sie kämen nicht rechtzeitig zum Meeting weil irgendein irrer Suizitgefärdeter auf den Schienen rumspringt. Höre die sarkastische Lautsprecher ansage des Zugführers, er hoffe sie würden den Hirni bald einfangen, und bilde mir die Gesichter der Menschen im Wagen ein, die sich zu gehässigen Fratzen verziehen. Ich möchte nur eins, Heulen. Das Krampfgefüh in meinem Magen nimmt zu als ich mir vorstelle wer da versucht sich sein leben zu nehmen, warum er das tut und seine Leiche, kalt und schlapp, wie sie auf den hölzernen Bahnschwellen liegt.
Ich merke wie sich ein Klos in meinem Hals festsetzt ich versuche ihn herunterzuschlucken, ohne Erfolg. Das Ding rutscht meine Speiseröhre immer weiter nach oben. Vergeblich bemühe ich mich die depressiven Gedanken wegzuwischen um ihn aufzuhalten.
„Noch frei?"
verwirrt schaue ich auf.
„Ja klar" Sage ich zu dem Jungen Mann und schiebe schnell meine Tasche beiseite. Verschämt denke ich an die knallroten Aufkleber die überall in der S-Bahn verteilt sind „Alle Taschen habens bequem, nur Marlene, die muss stehen"
Bloß nicht hinschauen, nicht sehen wer da neben dir sitzt dröhnt es immer wieder in meinem Kopf als hätte sich die eine imaginäre Grammophonnadel an dem Gedanken festgehakt.
Es ist immer das selbe, ich habe nie eine Ahnung wie die Menschen aussehen, die in meinem Vierer sitzen, weil ich mich nicht überwinden kann aufzuschauen. Also hefte ich meinen Blick auf das Karomuster der Chuks an meinen Füßen, und konzentriere mich darauf , dem Blick meines Gegenübers auszuweichen.
Genauso anonym wie der Selbstmörder, genauso anonym, genauso namens und Gesichtslos. Die Erinnerung an den Kurzen Blick vorhin verblasst bereits. Nur die Augen, die kann ich nicht vergessen, tiefschwarze unendlich traurige Augen.
Ob er wohl auch daran denkt sich umzubringen? Starr vor Schreck über meine eigenen Gedanken blicke ich weiter zu Boden. Plötzlich erscheint mir der Junge nicht mehr so anonym. Was wenn er wirklich?, was wenn ich es verhindern könnte?
Endlich, zum allerersten mal traue ich mich den Kopf zu heben.
Sofort treffen sich unsere Blicke. Die Hoffnung darauf, dass er aus dem Fenster sieht oder eine interessantere Person, als mich, betrachtet zerschlägt sich in Sekundenschnelle.
Wieder diese leere in seinen Augen. Ein Gefühl, als wenn man an einem stürmischen Tag auf die See hinaus schaut. Voller Erwartung und doch mit Furcht.
Offenbar gucke ich ziemlich bedeppert drein, denn die freie Stelle zwischen seinen Augenbrauen zieht sich zu einer kleinen Senke zusammen. Sorgenvoll wendet er sich an mich.
„Alles OK?". Ich nicke nur, bringe wieder kein Wort über die Lippen.
Sein Mund verzieht sich zu einem Lächeln, es ist kein fröhliches, offenes Lachen, sondern eher ein introvertiertes Mitleids- Mundwinkel- hochziehen. Jedoch empfinde ich es nicht als unsympathisch, es gleicht eher dem Hand ausstrecken, in Richtung eines ertrinkenden, der jedoch schon zu weit abgetrieben ist um gerettet zu werden.
Da ich immer noch unfähig bin etwas zu sagen, lächle ich scheu zurück.
„Bist wohl nicht sehr gesprächig? Oder hast du nichts zu erzählen?". Die Frage trifft mich völlig unvorbereitet. Schließlich spricht man sein Gegenüber in der U-Bahn nicht einfach an, das gehört zu den ungeschriebenen Gesetzen der Gesellschaft. Allerdings war ich es ja, die als erstes den schützenden Mantel der Anonymität abgestreift hat.
Hilfe suchend gucke ich mein Spiegelbild im Fenster an. Na los, sag was! souflir mir irgend eine passende Antwort, flehe ich. Doch natürlich passiert gar nichts, warum auch? Ich meine ich rede hier mit einer Spiegelung meiner selbst, nichts weiter als ein Schatten des real existierenden, und ein Schatten kann keine eigenen Wege gehen.
Der Typ muss mich für total verrückt halten.
Schon wieder treffen sich unsere Blicke. Dieses mal in der vollgeschmierten Scheibe, ein Stückchen über dem krakligen Herz, welches ein E vor langer zeit für seine S gemalt hat.
„Gibt es da draußen etwas interessantes?". Seine rechte Augenbraue verkriecht sich unter dem Bündchen der Pudelmütze, die er trägt.
„N-nein" Stammle ich. Endlich bringe ich es über mich, zumindest mit seinem Spiegelbild, zu reden. Es war definitiv einfacher als mit dem realen Jungen.
Er lächelte erneut, dieses mal ein bisschen strahlender.
„Wieso siehst du dann so penetrant nach draußen? Findest du mich abstoßend?"
Es liegt Besorgnis in seiner Stimme und ich musste wieder an den Selbstmörder denken.
„N-nein" ich zwinge mich ihn anzuschauen „so ist es nicht".
„Wie dann?" Er scheint ernsthaft interessiert.
Aber die Wahrheit kann ich doch nicht erzählen. Das ich zu schüchtern bin, das ich mich nie traute jemanden in die Augen zu schauen. „scheues Rehlein" hat meine Grandma mich immer genannt „Ann du scheues Rehlein, hör auf dich zu verstecken" Dann hat sie gelacht, und mir doch erlaubt unter dem Küchentisch zu bleiben. Sogar die halb leeren Teigschüsseln zum auslecken brachte sie mir in mein sicheres Versteck. Immer wenn es zu hause Streit gab oder komische Leute da waren lief ich zu meiner Grandma und jedes Mal durfte ich unter die geblümte Tischdecke kriechen. Ich erinnere mich noch genau an den Geruch, es hat immer nach Äpfeln, Anis und Zimt gerochen, in Grannis Küche war jeden Tag Weinachten.
Es nahm mich schwer mit als sie starb. Damals war ich acht und ich habe mich eine Woche lang unter ihrem Küchentisch verschanzt. Wollte nichts essen, trinken geschweige denn mit jemandem über ihren Tod reden. Weder mit meinen Eltern, noch mit de Psychiater den ich nach dem Vorfall, zweimal wöchentlich besuchen musste.
Ich habe nie darüber geredet, eigentlich war es ja etwas geradezu alltägliches; alte Menschen sterben nun mal. Aber warum ausgerechnet meine Granny? Für mich war sie immer etwas fest verankertes, eine Uhrgewalt, die nichts in der Welt hätte verändern können. Und dann war sie plötzlich nicht mehr da. Mein Kindlicher Kosmos, der um sie, und den Küchentisch kreiste brach in sich zusammen, von heute auf morgen, einfach so.
Ich merke wie mir eine Träne über die Wange kullert. Verräterische, kleine Flüssigkeit. Natürlich entgeht es ihm nicht. Ich warte darauf, dass er wieder fragen wird ob ich denn OK sei, aber er sagt gar nichts, schaut mich nur mit seinen unendlich tiefen Augen an und plötzlich bricht alles aus mir heraus, der Tod meiner Grandma, der Küchentisch die schrecklichen Stunden beim Psychiater meine Panik davor andere anzuschauen, sogar von meiner kindischen Angst vor den U-bahn Schächten erzählte ich ihm. Alle ungesagten Dinge der letzten Jahre suchen sich hier und jetzt ein Ventil, hier bei diesem Jungen den ich nicht einmal kenne. Die anderen Menschen im Wagon gucken bereits neugierig herüber doch als ER sie anschaut senken sie sofort ihre Blicke. Ich bin schon lange an der Station, an der ich hätte aussteigen müssen, vorbeigefahren.
„Ich habe mich wohl geirrt ich denke du hast noch viel zu erzählen..". Er zögert einen kurzen Moment. „Wollen wir das Gespräch am Hafen fortsetzen?" zum ersten mal sehe ich ihn richtig lächeln, kleine Verfertigungen graben sich rund um seinen schmalen Mund in die Haut. Ich bin unfähig nein zu sagen, ich bin unfähig überhaupt irgend etwas zu sagen. Also nickte ich nur stumm.
An der nächsten Haltestelle steigen wir aus. Sofort bläst uns ein kalter Wind entgegen. An manchen Stationen zieht es heftig, diese gehörte dazu. Ich trage bloß eine schwarze Sweatjacke und fange deswegen augenblicklich an zu bibbern. An seinem Körper hängt nur ein T-Shirt und diese Strickmütze, als hätte die Wintergarderobe bislang nur auf seinem Kopf einzug gehalten, er scheint aber nicht zu frieren. (ab hier korrigiert)
„Da," er hält mir das wollene Ding hin, „wirst sehen, warme Ohren sind die halbe Miete." Wieder setzt er dieses bezaubernde Grübchen-Lächeln auf, so dass ich nicht widersprechen kann.
„Keine Angst, mir ist nicht kalt." Ich bekomme schon eine Grippe, wenn ich ihn mir nur ansehe. Also setze ich brav den gestreiften Strick-Schlauch auf den Kopf. Es ist einer von diesen, die zwei Lappen an den Seiten haben, um die Ohren zu bedecken. An den Lappen und ganz oben auf der Mütze sind dicke Bommeln befestigt. Genau drei...einer links, einer rechts und einer am Hinterkopf. Ich komme mir ein wenig lächerlich vor mit dem Ding aber mir ist tatsächlich schon wärmer.
„Wartest du einen Moment?" Schon ist er weg und ich stehe etwas verloren in der Eingangshalle des Bahnhofs. Verwirrt schaue ich mich um und fange gerade an meine Gedanken zu ordnen, als er mit zwei Kaffeebechern zurückkommt. Einen davon drückt er mir in die Hand.
"Milchkaffee ist doch in Ordnung? Wärmt von innen." Mir fällt auf, dass alle Traurigkeit aus seinen Augen gewichen ist und einem überirdischen Glanz Platz gemacht hat.
„Zucker?"
„Ja bitte, zwei Stück," antworte ich. Triumphierend zieht er zwei Tütchen aus seiner Hosentasche.
„Wusste ich doch, dass du der Milchkaffee- mit- viel- Zucker- Typ bist." Er freut sich wie ein kleines Kind. Ich kann nicht verhindern, dass ein Lächeln über mein Gesicht huscht.
„Ja überzuckerter Milchkaffee ist prima." Ich schmiege meine Hände an die warme Pappe des Bechers und füge hinzu „Wärmt auch von außen."
In diesem Moment sind alles Leid, alle Ängste, alle Depressionen, die sich den ganzen Tag über angesammelt haben, vergessen. Es ist mir egal, dass ich den Unterricht in der Uni verpasse, egal dass es kalt ist und auch egal, dass ich einem Wildfremden mein ganzes Herz ausgeschüttet habe. Es zählt nur der warme Kaffee in meiner Hand, die salzige Luft des Hafens, die selbst hier unten zu riechen ist und natürlich der Junge, dessen geringelte Pudelmütze ich auf dem Kopf habe.
Ich nehme kaum wahr, wie wir die Station verlassen, bemerke es aber, als mir die letzten, wärmenden Strahlen der Sonne auf die Nase fallen.
„Na komm," er schnappt mich ohne zu fragen an der Hand und schleift mich ein Stück die Straße rauf zum Hafen. Dort angekommen steuert er den Landungssteg für die Touristenschiffe an. Es ist ein schöner Platz, ich habe hier auch schon einige Male mit einer Freundin gesessen. Es ist zwar immer etwas los, aber die meisten Leute sind mit sich selbst beschäftigt und lassen einen deswegen in Ruhe.
Wir setzen uns ganz an den Rand, so dass unsere Füße über dem Wasser baumeln. Endlich komme ich dazu, ihn mir genauer anzuschauen. Seine langen, dünnen Beine stecken in einer schwarzen Röhrenjeans, das viel zu weite Shirt schlackert um den mageren Körper und lässt die zahlreichen Buttons, die daran befestigt sind, klackern. Sein ganzes Äußeres ist sehr gepflegt, jedoch erscheint alles alt und ausgeblichen, wie auf einer vergilbten Farbfotografie. Nur das Haar legt sich in einem tiefschwarzen Helm um seinen Kopf und verdeckt eine Hälfte des Gesichts.
Auf einmal wird mir klar, dass ich mich beim Inspizieren meines Gegenübers hab erwischen lassen. Der Junge linst belustigt zu mir rüber.„lass dich nicht stören"
„E-es tut mir leid", ich fange, wie immer, wenn ich aufgeregt bin, an zu stottern.
„Du musst dich nicht immer entschuldigen", er grinst mich wieder an, „sag mal, hast du was dagegen, mir deinen Namen zu verraten?" Nach kurzem Nachdenken, gelange ich zu dem Schluss, dass es, da er sowieso über meine tiefsten Ängste bescheid weiß, keinen Sinn macht, ihn ihm vorzuenthalten.
„Ich heiße Anna", mit einem flüchtigen Lächeln füge ich hinzu, „aber alle nennen mich Ann." „Hocherfreut", albern ergreift er meine Hand und haucht einen Kuss darauf, „gnädge Frau. Erlauben Sie, dass ich mich nun auch vorstelle, mein Name ist Joshua." Wieder graben sich die Grübchen in seine Wangen und er schaut mir direkt in die Augen „Nenn mich einfach Josh."
Es folgt eine weitere flapsig- höfische Geste. Er wickelt von seinem Arm eine imaginäre Schnur ab und verneigt sich ungeschickt. „Darf ich bitten?" Zum dritten Mal heute, kann ich ihm nicht widerstehen und ergreife wie in Trance seine Hand. Er wirbelt mich in die Höhe, schwingt seinen Arm um meine Hüfte und dreht mich auf den klammen Holzplatten der Anlegestelle im Kreis. Eins, zwei drei, eins zwei drei, eins zwei drei - im Geiste zähle ich mit, um nicht zu stolpern. „Ann ich..." Mein Blick hebt sich, ich gerate beim Anblick seines Gesichtes aus dem Takt und stolpere. Dunkelheit umfängt mich. Feuchtkalte Krallen greifen von allen Seiten nach mir, reißen an meiner Kleidung, ziehen mich in die Tiefe. Meine Lungen füllen sich mit der eisigen Brühe, dann hat mein Körper wieder Auftrieb, der helle Punkt an der Wasseroberfläche wird deutlicher, größer, das Salz brennt in meinen Augen. Ich spüre wie mich zwei erstaunlich kräftige Hände auf den sicheren Landungssteg ziehen. Gierig schnappe ich nach Luft, muss jedoch sofort husten, mein Hals brennt, es fühlt sich an, als hätte ich einen doppelten Wodka auf „ex“ gekippt. Langsam schleicht sich die Kälte in meine Glieder, ich schlottere am ganzen Leib. Die letzten, milchig roten Sonnenstrahlen verschwinden am Horizont, tausendmal gebrochen in der aufgewühlten Oberfläche des Meeres. Mein erschöpfter Körper wird hochgehoben. Ich wehre mich nicht, lasse es einfach geschehen; das letzte, was ich mitbekomme, ist das angestrengte Quietschen der einfahrenden S-Bahn. Dann greift die Müdigkeit mit samtweichen Händen nach mir und geleitet mich ins Land der Träume.
Als ich wieder aufwache riecht es nach Laub und morschem Holz. In meinem Rücken spüre ich viel zu deutlich die Sprungfedern einer offenbar alten Matratze. Ich richte mich auf, um meine Umgebung besser einschätzen zu können. Das Zimmer ist verstaubt und bis auf die Matratze und ein morsches Bücherregal leer. Erschrocken erkenne ich am Fenster meine tropfnasse Kleidung hängen, stelle jedoch erleichtert fest, dass ich ein T-Shirt mit der bröckeligen Aufschrift „Zombie Killer" und eine weite Jogginghose trage. Allerdings beschleicht mich im nächsten Moment wieder ein leichtes Unbehagen, schließlich habe ich mir das Zeug nicht selber angezogen. Da das T-Shirt nicht besonders warm ist, zieh ich mir die kratzige Wolldecke, unter der ich bis eben gelegen habe, über die Schultern. Noch etwas wacklig auf den Beinen laufe ich zur Tür. Mein Fuß hinterlässt einen dunklen Abdruck auf der staubigen Schwelle. Als ich das nächste Zimmer betrete, fällt mir sofort ein alter Flügel ins Auge. Irgendetwas stimmt mit dem ehrwürdigen Instrument nicht. Nach einer Zeit wird mir klar, dass mich die Tasten irritieren, sie sind nicht wie der Rest der Wohnung eingestaubt. Zwar abgenutzt wie alles hier, aber absolut sauber. Genau wie Josh selber. Beim Gedanken an ihn muss ich unweigerlich lächeln.
„Es ist dir also aufgefallen", der Junge schmunzelt, läuft zum Flügel und fährt sanft mit den Fingern über die Tastatur. Ich zucke beim Klang seiner Stimme zusammen. „hab mir schon gedacht, dass du es merken würdest." Er lässt sich auf dem wackligen Hocker nieder und schlägt einige Töne an, die sich rasch zu einer komplexen Melodie entwickeln. Mühelos tanzen seine Hände über die schwarzen und weißen Rechtecke. „Du kannst den Mund wieder zuklappen." Sein kehliges Lachen klingt in meinen Ohren. Ich kann immer noch nicht glauben, wie virtuos er ist. „Weißt du, dass viele Menschen teure Karten kaufen würden, um einen solchen Pianisten zu hören," frag ich ihn total perplex.
Er schägt nur die Lider nieder und schüttelt stumm den Kopf. - „Ich spiel aber nicht vor Fremden." - „Aber ich bin doch auch eine Fremde," sage ich trotzig. Mit wenigen Schritten ist er bei mir und faßt mich an den Händen. „Nein, bist du nicht." Ich entdecke wieder diese Leere in seinen Augen. Wir schauen uns viele kleine Ewigkeiten so an, bis ich den Blick senke. Er hat den Kampf gewonnen.„Hast du Hunger?" Josh sagt das, als wäre nichts geschehen, als würden wir uns schon lange kennen, als stünden wir in einem ganz normalen Haus. Mein Magen fühlt sich wie eine verschrumpelte Nuss an, ich verneine jedoch. Der Junge hatte meinetwegen schon genug Umstände. Ein laut vernehmliches Knurren lässt die Stille des alten Gemäuers erzittern. Mein Körper hat mich verraten.
Wieder mal verschwindet Joshs rechte Augenbraue, dieses mal nicht unter der Mütze sondern unter seinem Schwarzen Haarkranz. „Ach wirklich?" Er schlurft in den angrenzenden Raum. Ich dackel ihm, immer noch in die Wolldecke gekuschelt, hinterher. Auf dem Boden steht eine einfache Kochplatte, darauf ein Topf, in dem etwas blubbert. Von irgendwo her zaubert er zwei Gabeln, dann nimmt er den Kessel von der Herdplatte und läuft zurück in den Raum mit dem Klavier, dort lässt er sich auf ein geblümtes Sofa fallen. Ein kleiner Schwarm von Staubflocken wird aufgewirbelt und im Licht der nackten Glühbirne, die an der Decke befestigt ist, sichtbar. Unsicher, da ich nicht weiß ob ich ihm folgen soll, stehe ich unsortiert im Raum herum. Schließlich laufe ich zum Sofa und lass mich neben ihm auf den groben Stoff fallen. Josh hält mir eine der beiden Gabeln vor die Nase. „ Ich kann leider weder kochen, noch mit Tellern dienen, aber es ist besser als nichts." Ich identifiziere den Inhalt der Topfes als Gemüseravioli aus der Dose. Vorsichtig stocher ich mit der Gabel eines der kleinen Quadrate aus der roten Brühe. Es schmeckt köstlich. Jetzt erst merke ich, wie hungrig ich eigentlich bin, gleichzeitig stellt sich mir die Frage, wie lange ich eigentlich geschlafen habe. „Genau einen Tag." Er lächelt, ich frage mich, ob er Gedanken lesen kann.
Vorsichtig rücke ich näher an Josh heran, um die Ravioli in meinen Handlungsradius zu bekommen, und beginne mir eine Teigtasche nach der anderen in den Mund zu schieben. Er schaut erfreut dabei zu und steckt sich gelegentlich auch eine zwischen die Zähne. Es gibt immer noch eine Sache, die mich beschäftigt. Ich entschließe mich, ihn doch danach zu fragen. Der letzte Ravioli wandert in meinen Magen. „Sag mal ...", mein Verstand scheint gerade Mittagspause zu machen da mir die richtige Formulierung nicht über die Lippen will. Nervös knete ich die Finger im Schoß „ …ähm..." Das Blut steigt mir in den Kopf. „W-was ist eigentlich passiert, da am Landungssteg?". Josh zuckt verwundert mit den Schultern „Naja, du bist gestolpert, ins Wasser gefallen und dann warst du einen Moment nicht zu sehen, doch als ich gerade reinspringen wollte, um dich zu retten, tauchtest du von alleine wieder auf. Natürlich hab ich dich sofort an Land gezogen. Danach hast du wohl das Bewusstsein verloren. Anschließend bin ich, da du mir deine Adresse nicht sagen konntest, mit der nächstbesten S-Bahn, hierher gefahren, damit du nicht erfrierst. und dann hast du erstmal ziemlich lange geschlafen, du Murmeltier." Er guckt mich lieb an, doch ich hab keine Lust den Blick zu erwidern. Mein Gesicht brennt „A-aber als du hier warst,....wa-wa-was hast du dann gemacht?" Bei den letzten Worten versagt meine Stimme. Beschämt zupfe ich an dem T-Shirt herum, das nicht meines ist. Ein Lächeln huscht über sein Gesicht. „Ach so, das meinst du. Ich konnte dich ja nicht in den nassen Sachen lassen, du hättest dir sonst was geholt. Keine Angst, ich hab nicht hingeschaut, ehrlich nicht." Ich habe keine Ahnung, ob ich ihm das glauben kann, aber offenbar bleibt mir nichts anderes übrig.
„Satt?" Die Leichtigkeit, mit der er es vermag Themen zu wechseln und Situationen zu entschärfen, erstaunt mich. Froh über die Möglichkeit, von meiner peinlichen Frage abzulenken, antworte ich übereifrig: „Nein ich platz gleich!" Mein Mund bringt sogar so etwas wie ein Lachen zustande. „Na dann!" Josh schnappt sich den Topf und trägt ihn zurück in des Zimmer, das offenbar als Küche dient. Auf dem Rückweg schmeißt er noch einige Holzscheite in die Feuerstelle, derer ich mir erst jetzt bewusst werde. „Das Haus hat einen Kamin?" frage ich verwundert. Seine im Zwielicht des Raumes nur noch als Schemen erkennbare Gestalt dreht sich zu mir um. „Es hat einen Flügel, warum sollte es dann keinen Kamin haben?" Er lacht. „Das Anwesen hat früher wohl mal einer reichen Familie gehört." Auf einmal klingt ein trauriger Unterton in den Worten mit, ich bin mir allerdings nicht sicher, ob ich mir das nur einbilde, da ich Joshs Gesicht nicht erkennen kann. Als er sich wieder zu mir auf das Sofa setzt, wirken seine Züge entspannt. „Ich hoffe, dir ist nicht zu kalt." Ich verneine. Das stimmt zwar nicht ganz, aber es geht schon. Würde ich es sagen, wie es ist, wäre er in null Komma nix wieder auf den Beinen, ich möchte aber, dass er bei mir bleibt. Ich möchte, dass er bei mir bleibt? Warum denke ich so etwas? Ich kenne den Jungen immer noch nicht wirklich, und doch vertrau ich ihm blind. Inzwischen ist mir bewusst, wie absurd meine momentane Lage ist. Ich hocke hier mit einem mehr oder weniger fremden Jungen in einem verrottetem Haus und war schon zwei Tage nicht in der Uni.
„Anna, was ist los?" Offenbar hab ich meine Gefühle wie einen Film auf mein Gesicht projiziert.
„Nichts." Er guckt besorgt, mein Hirn blendet den Gedanken aus und befiehlt dem Körper näher an Josh heranzurücken. Unsere Schultern berühren sich jetzt. Durch die karierte Wolldecke spüre ich die Hitze, die er abstrahlt. Bei der Berührung spannen sich seine Muskeln an, doch im nächsten Moment ist sein Körper wieder vollkommen entspannt. Joshs Gewicht verlagert sich leicht in meine Richtung. „Kommt dir das hier alles nicht komisch vor?" Seine stimme ist nur ein Flüstern. „Ja, schon", ich muss lächeln „es ist wie ein Traum." - „Ein Albtraum?" Er bringt wieder ein wenig Abstand zwischen uns. „Nein, es ist wunderschön." Mein Kopf sinkt an seine Schulter, er streichelt mir leicht übers Haar. Das schummrige Licht des Feuers und sein Knistern machen mich schläfrig. „Wohnst du eigentlich hier?" - „Ja, warum nicht? Es gibt alles: Strom, fließend Wasser, sogar einen Kamin und den Flügel." Wir sprechen beide nur noch im Flüsterton. „Wie hast du es gefunden?" Josh antwortet mit einiger Verzögerung „Gar nicht, ich habe schon immer hier gewohnt." Ich richte mich ruckartig auf, um ihm in die Augen schauen zu können. „Wie, du wohnst schon immer hier?" Er hält dem Blick stand „Es ist, wie ich es sage, ich wohne schon immer hier, ich wurde in diesem Haus geboren." - „Aber wo sind dann deine Eltern, wieso sieht es hier so aus?" Meine Stimme klingt ganz piepsig und aufgeregt. Er lächelt ein trauriges Lächeln „Meine Eltern sind tot und das Haus ist mit ihnen gestorben." Die einzelne Träne, die über seine Wange läuft, schimmert im warmen Licht des Feuers, das sich tausendmal auf der Oberfläche der salzigen Flüssigkeit bricht. Ich will sie wegwischen, die Träne, die Traurigkeit, die ich, als ich ihm das erste Mal begegnete , in seinen Augen sah. Sie ist zurückgekehrt. Ich merke dass ich eine Tür geöffnet habe, die lieber hätte verschlossen bleiben sollen. Zum ersten Mal ist es anders herum. Nicht ich brauche seine Hilfe, sondern er meine. Die ganze Zeit hab ich, über den Berg meiner Probleme, die seinen nicht gesehen. Ich schäme mich, dass ich ihn mit meiner Oma, dem Psychiater und der albernen Angst vor den U-Bahnschächten belastet habe. „Es tut mir so leid, ich wusste ja nicht.." Mir wird bewusst wie abgedroschen das klingt. „Ach Josh.." Ich will etwas Aufbauendes, Ermunterndes sagen, schaffe es aber nur, seinen Kopf in meine Arme zu nehmen.
„Ann, es ist schon okay." Er klingt gefasst. Nun fange ich selber an zu heulen. „Nichts ist okay, Josh, was ist hier passiert?" Er drückt mich an sich „Es ist vorbei, es ist vorbei." Ich merke, wie sich die Tür wieder schließt, wie er ein dickes Schloss davor legt, damit ich sie nie wieder öffne. Erschöpft lasse ich mich zurück auf das Sofa fallen, merke, wie der Staub um mich wirbelt, mir in die Nase steigt, meine Lungen füllt, einen Hustenreiz auslöst, den ich sofort unterdrücke. Es herrscht völlige Stille im Raum. Wie eine dicke Wolkenfront breitet sie sich überall aus. Lässt sich nieder, in jeder Ecke, jedem Geist, überall. Fett, dickflüssig und eklig, unzerstörbar. Bis ein einzelner heller Ton sie durchbricht, Licht verbreitet, sich vom Flügel aus einen Weg durch den Raum zu mir und dem geblümten Sofa sucht. Er ist nur für mich und nur für mich. Josh sitzt am Flügel. Rasch folgen weitere Akkorde, verbreiten sich im ganzen Haus, füllen es, vertreiben die Dunkelheit. Mein Herz wird von einem absoluten Glück erfüllt und es ist unantastbar, eine perfekte Lüge. Ich stehe auf, drehe mich im Kreis, schneller und schneller, tanze wie ein kleines Kind. Die Melodie umfängt mich, schützt mich, füllt mich ganz aus. Dann lass ich mich einfach fallen, mitten im Raum. Mein Körper wippt im Takt mit. In diesem Moment bin ich wohl das, was man wunschlos glücklich nennt.
2. Kapitel
Trockene Luft, mit einem leichten Aroma von Bienenwachs, Wurmigem Holz und Talk; wo bin ich? Meine Glieder sind steift, der Beckenknochen fühlt sich an wie platt gedrückt. Meinen trockenen Lippen entfährt ein leichtes Stöhnen als ich mich aufrichte. Noch schlaftrunken drücke ich an der schmerzenden, versteiften Muskelmasse herum und ordne die Geschehnisse des letzten Tages ein. Langsam kehrt meine Erinnerung zurück ich muss mitten im Raum eingeschlafen sein. Das Feuer ist inzwischen niedergebrannt und als ich gähne entsteigt meinem Mund eine kleine Rauchwolke. fröstelnd ziehe ich die Wolldecke näher um mich
„Josh..?“ Meine Frage verliert sich in dem großen Raum, hinterlässt nur eine zweite weiße Frostfahne in der Luft. Meine Mundwinkel ziehen sich hoch. Tapsig stehe ich auf, suche noch nach meinem Gleichgewicht. Er ist bestimmt in der Küche. Ich blinzel verträumt in das kühle Morgenlicht das durch die Schmutzigen Scheiben fällt und schleich mich zur Tür. Langsam schließen sich meine Finger um den geschwungenen Ramen, von dem der weiße Lack abblättert. „Josh?“ Ich blicke in einen leeren Raum. Alles ist so wie wir es gestern zurück gelassen haben. Der leere Topf mit der eingetrockneten Ravioliesoße steht auf dem Boden, eine einzelne Fliege kreist über ihm. Der monotone Summton dreht sich in der Luft das Brummen geht mir auf die nerven also schnapp ich mir den Kessel und setzt ihn in die Spüle. Metall trifft auf Metall und alten Kaffeesatz, es entsteht ein unangenehmes schaben. Ich dreh den Hahn auf, eiskaltes Wasser strömt aus der brause und lässt meine Finger taub werden. Ich beiße die Zähne zusammen und kratz mit einem Ausgefransten Topfschwamm die verkrustete Stärke von den Wänden. Als ich fertig damit bin fühl ich meine Finger nur noch bis zum ersten Gelenk also steck ich sie unter die Wolldecke. Eigentlich müsste Josh. Wo auch immer er ist schon zurück sein. Also verlasse ich den Raum und schau mich in dem Zimmer mit dem Flügel um. Es führen mehrere Gänge aus dem Raum. Es ist mir nur einer, abgesehen von der Küche bekannt. Es ist das Zimmer in dem ich in der ersten nacht geschlafen habe. Meine Knöchel treffen auf das Holz der schmalen Platte und hinterlassen einen harten Klang „josh..? Bist du da drinnen?“ Mit einem Quietschen schwingt die Tür auf. Mein Blick schweift über ca. 17 Quadratmeter gähnende leere. Langsam fange ich an zu zittern. Zum einen weil mir kalt ist und zum andern weil sich ein ungutes Gefühl in mir breit macht. „Josh?“ Meine Stimme klingt aufgewühlt. „Josh, wo bist du das ist nicht witzig“ Wahr los laufe ich durch die labyrithischen Gänge des alten Gemäuers. Die Dielen knarzen unter meinen Füßen Plötzlich fährt ein brennender Schmerz in meinen Ballen. Ein Dicker Splitter steckt in der haut ich kann durch die milchige Hornschicht sehen wie tief er sich in das Fleisch gefressen hat. Um das braune holz bildet sich ein rötlicher Schimmer. Ich hab mich auf die unterste Stufe einer Wendeltreppe gesetzt um die Wunde in Augenschein zu nehmen. Plötzlich fällt mir der Fußabdruck auf der sich neben mir in den staub gedrückt hat wie in eine Schneeschicht. Nur wenige cm entfernt ist ein kleiner roter Fleck. Nur ein winziger Punkt und doch zieht sich mein herz bei seinem Anblick zusammen, verknotet sich, raubt mir den Atem. Mein Körper fährt in die höhe, rast die Treppe herauf . Ich stolpere mehrmals, ignoriere den Schmerz in meinen Knien, meinem Fuß. Der rote Punkt hat sich in eine dunkle Linie verwandelt tropft die Treppe herunter. Das Rinnsal wird immer breiter meine Füße sind nicht länger trocken. Keuchend komme ich oben an. Erstarre. Josh lehnt zusammengesackt wie eine Lumpenpuppe an der wand. Neben ihm ein rostiger haken und aus einer großen Fleischwunde an seinem Kopf tropfte das Blut. Wie festgeklebt stehe ich vor ihm. Ein metallischer Geruch steigt mir in die Nase. Übelkeit durchflutet mich, unaufhaltsam rast eine riesige Druckwelle durch meinen Körper, erschüttert ihn und bahnt sich in einem Schluchzer einen Weg nach draußen. Meine Stimme erkenn ich nicht mehr, es ist nicht meine. Ich breche über Joshs leblosem Körper zusammen, schüttle ihn, haue gegen seine Brust. Die Wolldecke und das T-Shirt saugen sich mit Blut voll „Anna“ Seine Hand krallt sich in den Stoff meines Oberteils er reist etwas ein. Seine Stimme ist gebrochen. „Telefon? Hast du ein Telefon“ ich klinge hysterisch doch sein griff hat sich bereits wieder gelockert. Jedoch ist er nicht Tod. Ich springe auf falle mehr, als lauf die Treppe wieder herunter. Weitere Spreizen bohren sich in meinen Fuß es ist mir egal. Ich reiße die Haustür auf, renne auf die Straße hinaus. Mein Blick eilt durch die Umgebung ohne etwas wahrzunehmen, ich bin nur auf der suche nach einem gelben Punkt, einer Telefonzelle. Ich hetzt die Gasse hinunter Steine reißen meine haut auf, ich hab nichtmal Schuhe an. Im Gegenwind und der Kälte verkrustet das Blut an meinen Armen und blättert ab. Tau schlägt sich auf meiner haut und in meinen haaren nieder die dunstige Luft steigt in meine Nase und erzeugt Schmerzen in meinen Lungen. Mein Atem geht stoßweise, ich hab vergessen wie man richtig Luft holt, es ist nicht wichtig. Ein Fettiger Kerl in einer abgenutzten Bomberjacke und mit Dreitagebart kommt mir entgegen. Er hat eine zerknitterte Zigarette im Mund und hält sich ein Handy ans Ohr „ja doch..sag, sag..JA VERDA....“ Als er mich sieht erstarrt er. Ich reiß im das Mobiltelefon aus der Hand leg auf und drück die Notruftaste. Sein kurz aufkeimender Protest erstickt sich sofort selbst im keim. Ich überrage ihn um einen kopf, bin Blutverschmiert und trag zerfetzte Kleidung. Ich muss aussehen wie ein Monster. „hallo, Notrufzentrale bitte sagen sie mir ihre..“ Ich unterbreche die gelassene, freundliche Frauenstimme „Ich brauche einen Krankenwagen, mein freund ist.., er blutet,, er stirbt wen,, wenn...“ meine Stimme versagt, ich ringe nach Luft. „Beruhigen sie sich. Ich brauche eine Adresse, wo sind sie?“ Ich habe keine Ahnung wo ich bin also packe ich den total perplexen typen mit der Halbglatze am kragen und brülle ihn an, werde wieder von Tränen übermannt, durchzuckt von Schluchzern. Der Kerl nimmt mir das Handy aus der Hand und erklärt der Notruffrau in ruhigem Ton unseren Standort. Dann geht alles ganz schnell. Wenige Minuten später nähert sich mit rotierenden Sirenen der Rettungswagen und die Sanitäter springen aus dem Gefährt. Ich zeige ihnen mit letzter kraft den Weg zum haus dann breche auch ich zusammen. Einer der Krankenwärter, ein Mann mit freundlichem, offenem Gesicht und kurzen, struppig-blonden har legt mir eine dieser silbernen Folien um die schultern, die einen im Notfall wärmen sollen. Das zeug raschelt fürchterlich. Ich hab Angst, fühle mich erbärmlich. Alles in mir hat sich zusammengezogen jedes Organ, jeder Muskel. Meinem Körper gehen die Tränen aus und meine kehle fühlt sich rau an. „na komm“ Er hebt mich hoch und trägt mich zum Auto. Dann bringen sie Josh. Er liegt auf einer Trage. Im Wagen schließen sie ihn an viele piepende und blinkende Geräte an, beatmen ihn mit einem komischen Gummi ding, schlagen auf seine Brust ein. Ich halte seine Hand, drücke sie ganz fest. Dann sind wir im Krankenhaus. Die Sanitäter rollen Joshs schlaffen Körper in einen Operationssal. Der Mann von vorhin stellt sich vor die Tür. „Unsere Ärzte tuen jetzt ihr bestes“. Er lächelt nett, „dein Freund hat sehr viel Blut verloren aber jetzt können wir nur hoffen. Du kannst momentan nichts für ihn tuen. Aber wir sollten dich auch kurz untersuchen.“ Ich weiche zurück. „Mir geht es gut ich möchte hier vor dem OP warten“ Er schaut mitleidig an mir herunter. „na komm“. Ich Muster mein halb zerrissenes, blutgetränktes Shirt und die schorfigen Füße dann lass ich mich von ihm in einen Behandlungsraum führen. Dort leuchtet mir Dr. Schneider-Ebbdorf, ein mann mittleren Alters mit hagerem Gesicht und einem ungesund, grünlichen Hautton in die Augen, hört mich ab und stellt schließlich fest das bis auf ein Paar schrammen und einen leichten Schock alles in Ordnung mit mir ist. Anschließend säubert eine Schwester meine Wunden an den Füßen. Zieht die Spreißel heraus und verbindet sie schließlich. Dann gibt man mir noch einen Pulli mit dem Logo des Krankenhauses und eine steril-weiße Sanitäterhose um mich in einen Waschraum zu schicken damit ich mich umziehen kann. Ich mag die Sachen nicht. Joshs „zombi-Killer“ und seine viel zu weite Jogginghose waren mir viel lieber. Ich hatte mich geborgen in den Sachen gefühlt jetzt war mir als wäre ich ein Kaninchen auf freiem Feld. Irgendjemand reicht mir einen Plastikbecher mit einer bitterer, koffeinhaltigen Brühe. Wehmütig denk ich an den Milchkaffee mit viel Zucker am U-Bahnhof zurück.
Als mich die Ärzte, Schwestern und Sanitäter endlich gehen lassen haben sie Josh bereits von der Notaufnahme in die Intensivstation verlegt. Es kommt mir so vor als wäre meine Untersuchung ein reines Ablenkungsmänöver gewesen um ihn ungestört verstecken zu können.
Also laufe ich zur Anmeldung um herauszufinden wo genau Josh ist. Es bereitet mir Schmerzen ihn so lange nicht zu sehen. Wie immer wunder ich mich über meine Gefühle zu dem fremden Jungen, doch zum ersten mal schießen mir seine Worte durch den Kopf „Du bist keine Fremde“ Wie ein Echo hallen sie in meinen Gedanken nach. Vielleicht bin ich das wirklich nicht.
„Tut mir leid Schätzchen, aber du kannst jetzt nicht zu ihm!“ Der Ton der schwabbeligen Schwester die penetrant nach einem viel zu blumigen Parfum riecht, lässt deutlich erkennen das es ihr überhaupt nicht leid tut und sie einfach nur unwahrscheinlich angekotzt davon ist Nachtschicht zu haben.
Trotzdem bemühe ich mich um einen ruhigen, freundlichen Ton als ich nachfrage „Können sie mir denn wenigstens sagen wie es Josh geht?“
Sie zieht die rechte Seite ihrer feuchten Unterlippe hoch, die dabei anfängt nervös zu beben. Wie ein zickiges Tonband spult sie einen offenbar auswendig gelernten Satz ab „Informationen über Patienten sind, ohne Genemigung, ausschließlich an Familienangehörige und nahe Verwandte des betreffenden Weiterzugeben“ Sie schnaubt wie ein Nashorn und hinterlässt dabei eine Spur von durchsichtigen Tröpfchen auf der Marmorplatte des Tresens. Gelangweilt fährt sie fort „können sie sich als solches ausweisen?“. Natürlich kann ich das nicht und das ist ihr auch klar, sie fühlt sich dem schüchternen Mädchen, das da vor ihr steht, offensichtlich sowiso haushoch überlegen und glotz es herausfordernd an.
Die Attaken der genervten Frau machen mich total nervös wiedermal heftet sich mein Blick auf den Boden. Er ist mit eidottergelben Fliesen gekachelt und hebt sich wunderbar von den graumelierten Filzpantoffeln ab in denen meine Füße stecken. „N-n-n-nein aber ich..“, „ Mathilda bitte..“ Ein runder, gemütlicher Mann mit schütterem Haar und einem Arztkittel bekleidet stellt sich zu uns. „...Dieses Mädchen hat wirklich alles getan um den Jungen zu retten. Glauben sie nicht ein anderer Ton wäre angebracht?“ Er verstaut umständlich sein Klemmbrett in einem, der vor Akten überquellenden Regale, hinter der Theke während Mathilda kugelschreiber-schwingend abdackelt. Der Mann streckt mir seine riesige Pranke entgegen, „Dr. Müller, behandelnder Arzt“, ich ergreife sie und bekomme einen festen Händedruck zu spüren. „Ihr Anruf kam wirklich in letzter Minute. Die Wunde ist nicht sonderlich tief aber da die Verletzung ihres Freundes offenbar so lange unentdeckt blieb, hat er viel Blut verloren. Die gute Nachricht ist wir konnten ihn so weit stabilisieren das er außer Lebensgefahr ist, die schlechte, er ist bislang nicht wieder aufgewacht.“ Dr. Müller nickt mir aufmunternd zu, man merkt das er Übung im Umgang mit den Angehörigen seiner Patienten hat. Meine Augen werden wieder feucht, aber ich reiße mich mit ganzer Kraft zusammen und meine Stimme klingt nur etwas wacklig als ich spreche. „S-sie meinen er liegt im..“ Der Arzt unterbricht mich sanft „Ihr Freund liegt im Koma und wir wissen nicht wann und ob er überhaupt wieder zurückkehrt. Es kann in einer Stunde passieren oder erst in 5 Jahren. Im schlimmsten Fall wacht er garnicht mehr auf. Genau sagen kann das keiner. Sie können nachher zu ihm aber vergessen sie nicht zu schlafen“ Dr. Müllers Kopf dreht sich erneut in meine Richtung.
Weiterhin um Fassung ringend nicke ich dankbar zurück und drehe mich dann auf dem nichtvorhandenen Absatz der Filzpantoffel um und verschwinde in einen möglichst dunklen Winkel des Krankenhauses um den Tränen endlich freien Lauf zu lassen. Schlaff sinke ich an einer der kahlen Wände zu Boden um mich fast psychodelich vor und zurück wippen zu lassen. Hätte ich ihn nur früher gefunden wäre das alles nicht passier, es ist meine Schuld. Ich weis das Jeder mir sagen wird das dem nicht so ist aber ich fühle mich trotzdem elend. Als mein Körper ganz ausgetrocknet ist und einfach keine Tränen mehr kommen wollen, schlurfe ich wie eine mechanische Puppe zur Kaffeteria. Dort bestelle ich einen Schwarztee und ein Stück Käsekuchen. Der angeblicher Earl Grey ist nach der Zugabe von Unmengen an Zucker halbwegs genießbar, der Käsekuchen schmeckt wie schon mal gegessen, eingefrohren und wieder aufgetaut. Ich verspeise nichtmal ein Viertel davon. Also sitze ich auf den unbequemen Stühlen die überall im Krankenhaus verteilt sind und schlage die Stunden tot bis ich zu Josh kann. Die Zeit vergeht schleppend und unglaublich langsam wie zähflüssiges Öl auf den Federn eines verunglücken Vogels. Und genauso wie die Möve immer mehr mit den Flügeln schlägt um sich zu befreien, schaue ich immer öfter auf die schwerfälligen Zeiger der Uhr. Und genau wie der Seevogel immer mehr Öl an den Flügeln kleben hat, desto stärker er dagegen ankämpft, umso langsamer vergeht die Zeit, desto öfter ich schaue.
Endlich, ich weis nicht wie spät es ist, nichtmal ob Tag oder Nacht, denn ich hab jegliches Gefühl für Zeit und Raum verloren, erscheint Dr. Müller wieder.
Mitleidig schaut der bärige Arzt auf mich herab „ich habe ihnen doch gesagt sie sollen nicht vergessen zu schlafen“ Er lächelt „Sie können jetzt zu ihm. Ich würde sie gerne begleiten muss aber zum nächsten Patienten. Es ist den Gang runter, rechts. Raum 417“ Ich nicke ihm nochmal dankend zu dann renne ich in die angegebene Richtung. Ein Verbotsschild weist mich darauf hin das es untersagt ist sich in diesem Tempo durch die Flure zu bewegen aber ich habe schon lange genug gewartet. Die Zahlen rasen an mir vorbei 400, 401, 402, 403, 404 ich laufe weiter, meine Augen tasten die, bis auf die Pastikziffern, identischen Türen nach der richtigen ab 412, 413, 414, 415, gleich bin ich da mein Herz schlägt bis zum Hals 416, da ist sie Tür 417 plötzlch halte ich inne, fürchte mich davor sie zu öffnen. Ich habe Angst vor dem Josh, den ich hinter ihr antreffen werde, klopfe an, erwarte keine Antwort, drücke langsam die Klinke.
Das Zimmer ist vollgestopft mit Technik. Da Josh nichts mehr selber machen kann tuen es Maschinen für ihn. Überall sind Schläuche, Anzeigen, Lichter. Es sieht aus wie die billige Kulisse eines trashigen Since-Fiction-Movies aus den 80gern. Vorsichtig setze ich mich auf die Bettkante die Herzrhytmus Anzeige schlägt in gleichmäßige Wellen aus. Pip, Pip, Pip. „Josh?“ Pip, pip, pip. Er zeigt keinerlei Reaktion. „Josh, e-es tut mir leid. Es ist alles meine Schuld. Ich hätte nicht so lange schlafen sollen u-und anstatt dich zu suchen hab ich...hab ich den Raviolitopf gepült“ Meine Hände sind ganz zittrig aber ich heule nicht wieder los will stark sein für ihn, für uns. Ich ergreife den Arm des, nun blässlichen Jungen, drücke ihn „Josh du musst zurückkommen, hörst du?“ Meine Fingernägel bohren sich in seine Haut „Ich kann ohne dich nicht leben. W-Wie kann das Schicksal nur so gemein sein dich mir zu geben und gleich wieder weg zu nehmen!“ Ich schrei fast, merke es zu spät. Eine Schwester betritt den Raum „ist alles in Ordnung“ Sie ist noch jung und guckt ein wenig schockiert drein. Ich zwinge ein Lächeln auf meine Lippen „Ja es ist alles OK“ Statt zu gehen steht sie weiterhin unschlüssig in der Tür. Die Frau klopft nervös auf ihrem Klemmbrett herum. „Es ist so, ich fürchte es fehlen uns sämtliche Informationen über diesen Patienten. Das wird sehr schwirig wenn das so bleibt. Könnten sie wohl diese..Angaben ausfüllen“ Sie streckt mir das Papier entgegen. Auf dem Formular stehen kleine Felder mit der Überschrift Name, Vornahme, Adresse oder Geburtsdatum. Ich kann so gut wie nichts davon nennen. Also setzte ein hilfloses Gesicht auf, was momentan nicht besonders schwer ist „E-Es tut mir leid“, stammel ich, „Aber ich glaube ich bin momentan n-noch nicht in der Verfassung um....“ Sie nickt verständnisvoll „Ja natürlich lassen sie sich Zeit. Es reicht wenn sie es übermorgen abgeben“ Ich hauche ein dankbares „das werde ich“ in die dünne Luft und warte darauf das sie wieder verschwindet. „Ach ja, und Dr. Müller hat gesagt sie sollten jetzt gehen. Der Patient und auch sie brauchen Ruhe“ Ich nicke „OK geben sie mir noch einen winzigen Moment“ Sie verlässt das Zimmer. Ich wende mich wieder Josh zu, streiche ihm das dichte, schwarze Haar aus der Stirn „Tschüss, ich komme dich morgen wieder besuchen“ flüster ich um anschließend Zimmer 417, die Intesivstation und schließlich das Krankenhaus zu verlassen.
NEW
Vorsichtig tappen meine Chucks auf den feuchten Asphalt. Laufen muss ich erst wieder lernen. Die Luft ist dunstig und dennoch mach sie meinen Kopf frei. Der dumpfe Krankenhaus mief hatte mich keinen klaren Gedanken fassen lassen.
Fröstelnd stecke ich die Hände in die Jackentaschen. Meine Finger erhaschen die Spiten des schwefelgelben Formulars das ich für Josh ausfüllen soll.
Momentan ist mir jede Ablenkung recht also krame ich das widerlich, bürokratische stück Papier nochmal hervor und betrachte die Winzigen Buchstaben. Geburtsdatum, Geburtsort, Krankenversicherungsnummer natürlich habe ich von alledem keine Ahnung. Wenn ich es mir recht überlege kenn ich nichteinmal Joshs Nachnahmen. Auch nicht seine Adresse aber an das Haus erinnere ich mich noch genau, allerdings nicht wo es steht. Totzdem mache ich mich auf den Weg zur U-bahn station. Ich sehe schon das blaue Schild und höre das gleichmäßige surren der Rolltreppe. Sie arbeitet heute Umsonst. Kein mensch ist weit und breit zu sehen. Vollkommen einsam in einer Großstadt zu sein hat auf der einen Seite etwas magiches auf der anderen ist es depriemirend. Es veruhrlacht ein laues Gefühl in der Magengegend. Ich fühle mich ganz leicht, wie ein zerbrechliches Stück Schilfrohr. Alleine knickt es nur wenn der schwache Halm in einem dichten geflecht aus seinesgleichen steht hat er kraft. Genauso ist es mit uns menschen. Schutz findet man nur in der Masse, Geborgenheit bei dem, den Man liebt. Momentan fehlt mir beides aber wenigstens kann ich die Rolltreppe von der sinnlosigkeit ihrer Existenz erlösen. Langsam fahre ich hinab in den Tunnel. Auf der kleinen, blaugerandeten Anzeigetafel steht in neongrünen lettern U3 des weiterne verkündet sie das die Ankunft, besagtem, öffentlichen Verkehrsmittels erst in 15 minuten. Es ist mir egal also lehene ich mich an eine der, mit grünen und blauen Mosaiksteinchen besetzten Säulen. Ein eisiger Windzug zerreißt mir das Haar, bläht die Jogginghose auf. Im Krankenhaus wurden die Sachen, auf meinen Wunsch hin, gewaschen. Sie stinken nach chemischer Reinigung. Torotzdem bin ich dankbar das ich somit auf den Krankenhaus Pullover und die Pflegerkleidung verzichten kann. Schuhe und Jacke hat man mir extra noch besorgt. Die ganze Aktion war mir zwar peinlich aber jetzt bin ich froh weil ich so nicht zu meiner ein Zimmer Wohnung fahren muss. Es scheint mir Ewigkeiten her das ich dort war. Das Wort zu hause hängt nun nichtmehr mit ihr zusammen sondern mit dem staubigen, alten Haus.
Endlich fährt zischend und quietschend die U-Bahn ein. Die Türen reißen auf und ich betreten den, bis auf einen schnarchenden Säufer leeren Wagon. Meine Füße laufen ganz automatisch zur letzten Reihe, aus Gewohnheit hefte ich den Blick auf den Boden. Dann ertönt das kreischend piepen der sich schließenden Automatiken. Die kleinen roten Warnleuchten blinken wild. Dann setzt sich der Zug in Bewegung. Die schnarchende Silhouette des betrunkenen sackt nach vorne. Sein schmieriger Bart erzittert. Ein lauter Rülpser entsteigt seinen Raucherlungen dann herrscht kurz stille. Als der Mann wieder zu sich kommt versucht er eine Kippe anzuzünden. Unbehaglich schaue ich auf das kleine Ikon mit der durchgestrichenen Zigarette traue mich aber nicht Einspruch zu erheben. Der ätzende Gestank brennt in meinen Augen ich schließe sie. Plötzlich merke ich wie sich etwas neben mir auf den Sitz plumsen lässt. Eine ekelerregende Alkoholfahne zieht in meine Richtung und ich muss die Augen nicht öffnen um zu wissen was es ist. Als ich sie doch aufschlage blicke ich in das, zu einer lüsternen Fratze verzogene, Gesicht dessen, was mal ein mensch war.
„Na Schätzchen, wie wäre es mit uns beiden?“ ohne meine Antwort abzuwarten legt er seine Pranke auf meinen Oberschnekel und lässt sie weiter nach oben wandern. Der Mann grinst geil „Sei nicht so schüchtern.“ Mit der anderen Hand werkelt er an seinem Hosenstall herum, unter dem sich eine klobige Beule abzeichnet.
Starr vor Angst sitze ich da, rühre mich keinen Zentimeter. Ich will das mich jemand rettet aber es kommt keiner. Nach unendlich langen sekunden schaltete sich mein selbsterhaltungstrieb ein. Der Zug hält gerade und ich springe aus dem Wagen der Betrunkene erhascht nur noch den Zipfel meiner Jacke. Ich streife sie ab und höre erleichtert wie sich die Türen pipend und blinkend hinter mir schließen.
Meine Brust hebt und senkt sich hastig und mein Herz pocht wie wild. Ich stehe noch unter Schock aber kann erkennen das es mich erneut an die Station am Hafen verschlagen hat. Wieder zieht es, und da ich jetzt nur noch das T-Shirt trage bildet sich Gänsehaut auf meinen Oberarmen. Schützend schlinge ich sie um den Körper. Ich umarme mich selber weil es sonst niemand tuen kann. Ohne zu wissen warum verlasse ich, wie schon vor inzwischen zwei Tagen, den Schacht. Die sonst so befahrenen Straßen sind leer. Jedes, Geschäft verriegelt. Ich komme mir vor wie in einer Geisterstadt. Einzig und alleine die fahlen Lichtkegel der Straßenlaternen leisten mir Gesellschaft. Mein Weg führt mich weiter durch die Menschenlehre Metropole, vorbei an Boutiquen, Buchläden und Bankgebäuden bis ich wieder am Bootssteg stehe. Auch er ist leer, nichtmal einer der Wasservögel die Tagsüber wie bunte Farbklekse im Wasser treiben, ist zu sehen. Ich fühle mich allein, fürchterlich allein und doch ergreift mich eine innere Ruhe. Ich lasse mich auf die feuchten Planken sinken, höre wie die Bracke gegen die Dicken Bohlen schlägt und lasse mich für einen Moment treiben. Über das Wasser, weit hinaus, weg von der Stadt auf die freie See. Löse mich von meinem alten Ego und bin für einen Augenblick wieder Kind. Sorglos, bei meine Grandma in der Küche. Ich sitze Dort, wie die Figur auf einem romantischen Gemälde von Caspar David Friedrich. Mit dem Rücken zum Betrachter, außer er ist eine Möwe die über dem Hafen kreist. Ich halte meinen Posten, bis die Kälte, unerträglich wird. Dann beende ich die Wache, wache wofür eigentlich, worüber? Josh? Oder will ich mich nur selber bestrafen, mit ihm leiden? Ich weis es nicht und während ich mich verzweifelt auf dem nassen Gebälk zusammenkauer fällt es mir auch nicht ein. Langsam umfängt mich ein Welt voller spitzer Gegenstände, Blut, Schwärze und Tod. Es brennt und ein dukler schatten entreist mir etwas das ich brauche, ohne das ich nicht leben kann, mein Herz? Es blutet, ich bin ganz leer. Dann wache ich auf. Es dämmert bereits und eine zierliche Hand ruht auf meiner Schulter „Ann, Ann bist du das?“ Ich blicke in das Gesicht meiner besten Freundin. „Ann, verdammt wo warst du?...Was?..Wir haben uns sorgen gemacht. Du kamst nicht und, auf dem Handy warst du auch nicht zu erreichen. Und jetzt finde ich dich hier. Oh man du hast ja nichtmal eine Jacke“ Ich unterbreche sanft ihrern Redefluss „Bitte Melli gib mir einen moment“ Ich lächle matt. „Ja klar“ Sie wird ganz still, nimmt mich vorsichtig an der Hand und steuert eins der umliegenden Kaffees an „Komm wir setzen uns da rein“
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Blog (Wie weit, was ist geplant usw.):
ZitatAlles anzeigenOK NEUES KONZEPT!! Es wird schon vor den 80 Seiten Fantasy geben. Aber keine Elfen, Feen, Zwerge fantasy. So viel ist sicher. macht euch lieber auf eine Welt gefasst in der es aussieht wie in Bildern von Salvador Dali und die eigentlich nur aus Gedanken und Gefühlen besteht.
Die Beziehung zwischen Ann und Josh wird auch wachsen allerdings auf eine ganz besondere art und weise. Das dürfte ab kapitel zwei wohl klar sein ;D
Ach ja is er nicht toll, mit seiner Strickmütze?? Ach ich schmelze hier beim schreiben immer weg XDD
Als Inspiration diente Musik von: Alesana, MCR und Ludovico Enaudi
Ich hoffe ihr habt spaß am lesen...es wird auch regelmäßig neue Kapite geben. Diesen Roman will ich fertig kriegen und wegschicken.
Über Kommis freue ich mich natürlich auch ne?! XD
Ach ja und soooooorry für die miese Rechtschreibung ich weis sie ist schlimm, und ich bemühe mich sie zu verbessern.